Die Mutter der Mutter im Wochenbett

An die frisch gebackene Oma: Was deine Tochter im Wochenbett von dir braucht

Ich lade dich herzlich ein, diese Gedanken zu teilen.

Meine liebe Mutter,

ich sende dir das heute, um dich wissen zu lassen, was ich besonders in meinem ersten Wochenbett von dir brauche.

Ich weiß nicht, wie gut du dich an dein eigenes Wochenbett erinnern kannst? Die Geburt als Mutter kann das Leben wie ein seelisches Erdbeben erschüttern. Alles für mich ist neu. Meine Persönlichkeit, mein Alltag, meine neue kleine Familie. Ich muss alles neu verorten. Alles muss seinen Platz finden. Die Tränen müssen fließen dürfen. Ich brauche Halt, Liebe und Verständnis.

Erfahrungsberichte

Ich bitte dich, mir so von deinen Erfahrungen zu berichten, dass sie nicht von Rechtfertigungen überschattet sind. Vielleicht suchst du auch selbst nach Verständnis. Im Sinne von: Da siehst du mal, dass Muttersein nicht so leicht ist, wie du dachtest. Das stimmt. Aber solche Kommentare haben hier und jetzt keinen Platz.

Ich bin verwundbar, seelisch und körperlich verletzt. Ich bin extrem empfindlich, sensibel, reizbar und unsicher.

Mit Vertrauen das Enkelchen unterstützen

Sicher möchtest du dein kleines, wundervolles Enkelkind unterstützen. Du wünschst ihm einen glücklichen, geborgenen Start in sein Leben. Im Wochenbett kann aber der neue Erdenbürger von dir nicht direkt unterstützt werden. Stattdessen nützt und stärkt das Baby all das, was mich, die neu geborene Mama, stärkt, stabilisiert und bekräftigt. Alles, was mich emotional angreift, mich verletzt, mich unsicher macht, mich kränkt, schadet automatisch dem Kind. Meine Stimmung überträgt sich sofort. Bin ich unsicher, fühlt sich auch das Baby instabil. Bin ich gelassen und heiter, kann sich auch mein Baby entspannen und sich geborgen fühlen.

Mehr als alles andere brauche ich dein Vertrauen in meine Kompetenz als Mutter. Ich schöpfe Zuversicht und Selbstbewusstsein daraus. Bitte vermittle mir das Gefühl, dass ich die allerbeste Mama bin, die dieser kleine Mensch haben kann. Denn zwischen all den Sorgen, Fragen, Nöten in dieser neuen chaotischen Welt schlägt jede kleine Kritik und jede gut gemeinte Bevormundung in mein Innerstes ein wie eine Bombe.

Ich brauche deine bedingungslose Liebe

Wenn ich Entscheidungen treffe, die du nicht getroffen hättest, dann akzeptiere das bitte und unterstütze mich dabei. Wenn ich deine Worte missverstehe, mich ungerecht beurteilt fühle oder mir unnötige Sorgen mache, landet all der emotionale Ballast auf meinem Baby. Mein Kind und ich – wir sind beide in diesen ersten Wochen höchst sensibel.

Ich wünsche mir, dass du mich bedingungslos liebst und akzeptierst. Mich und alle Gefühle, dich mich gerade überwältigen, belasten oder berauschen. Bitte lass mich ohne Tabu und Ängste alles fühlen und aussprechen dürfen, was in mir ist, ohne mich zu bewerten. Es muss raus. Es braucht Raum. Es braucht Akzeptanz. Nur so kann ich die Geburt meines Kindes und meine Geburt als Mutter verarbeiten.

Genauso sehr wie in Kindertagen brauche ich in diesen Wochen eine innere Verbindung zu dir. Ich brauche eine Bindung, die mich stärkt und mir Selbstvertrauen gibt. Ich brauche die innere Freiheit, auch zu meinem inneren Kind vorzudringen.

Bitte unterstütze mich emotional

Ich wünsche mir, dass du mich umarmst und beschützt. Ich wünsche mir, dass du mir auf beruhigende, unaufdringliche Weise schöne Dinge sagst. Ich wünsche mir, dass du mir mein Lieblingsessen kochst und mir (und meinem Partner) ein bisschen bei der Hausarbeit hilfst.

Bitte versuche nicht, deine eigenen Fehler von damals nun an deinem Enkelchen wiedergutzumachen. Sei so warmherzig und klug, deine wohl gemeinten Ratschläge für dich zu behalten. Hilf mir sanft, für mein Gefühlschaos die richtigen Worte zu finden. All diese extremen, gemischten und neuen Empfindungen müssen beim Namen genannt werden.

Ich wünsche mir vor all dem, dass du mir mein Kind nur dann abnimmst, wenn ich danach frage. Schenke mir stattdessen die reine Liebe, die ich dann an mein Kind weitergeben kann. Und hilf mir zu erkennen, dass jede Nacht – wenn sie auch noch so voll von Tränen, Schweiß und Verzweiflung ist – immer auch ein Ende findet.

Oma im Wochenbett
Mama, ich brauche dich, wenn ich Mama werde

Der Start in mein neues Leben

Mit deiner Hilfe und mit der Unterstützung meines Partners kann ich mich fallen lassen in dieses neue Lebensgefühl. Ich kann vertrauen, dass all das Durcheinander irgendwann wieder zu Ordnung wird. Ich kann mich freuen auf alles, was noch kommen wird. Und ich kann diesen besonderen Zustand zwischen den Welten mit meinem Baby achtsam wahrnehmen und genießen.

Danke. ♥

Deine Tochter, die frisch gebackene Mama

Hier gibt’s noch mehr zum Thema

Dieser fiktive Brief ist Teil meiner Wochenbett-Reihe. Hier gibt es Teil 1 des Artikels für dich und dein Wochenbett: Chaos, Tränen, neue Welt: Vorbereitung aufs Wochenbett. In Teil 2 findest du Unterstützung und warme Worte für den Vater (oder PartnerIn der Wöchnerin): Der Vater im Wochenbett: Was deine Partnerin jetzt von dir braucht. Und in Teil 4 hat das Neugeborene an seine Eltern eine wichtige Botschaft. Letztere ist noch in se mejking. Trag dich gerne weiter unten in den Newsletter ein, um seine Veröffentlichung nicht zu verpassen.

Mögen all die Zeilen euch in den besonderen Wochen nach der Geburt das Gefühl geben: Alles ist richtig, ihr seid die besten Eltern der Welt, es wird, es wird, es wird. Vertraut. ♥

Ich sende euch Zuversicht, Verständnis und wünsche euch das Allerbeste für die Zukunft als Familie.

Eure Anne

PS: Kennst du Schwangere, Wöchnerinnen, werdende Väter, werdende Omas usw., die von diesem Artikel profitieren könnten? Dann leite ihnen den Beitrag doch gerne weiter. Für mehr Herzenswärme in der Welt. ♥

Literatur:

Ich lade dich herzlich ein, diese Gedanken zu teilen.

Gefühle im Wochenbett, Großeltern, Mutter, Mutter-Tochter-Beziehung, Mutterbindung, Wochenbett

Kommentare (13)

  • Passt wie die Faust aufs Auge! Schade, dass es bei uns genau das Gegenteil war, hätte deinen Text ein paar Wochen früher gebraucht 😀
    Leite ich gerne an all meine werdenden Mamis und/oder Omas weiter!

  • So ein schöner Text. Vielen Dank dafür! Heute 10 Jahre nach der Geburt meines ersten Kindes verstehe ich viel besser, was ich damals eigentlich gebraucht hätte und warum ich nicht so einfach in die Mutterrolle gefunden habe – zum Teil, weil meine eigene Mutter zu gerne diese Aufgabe noch einmal übernommen hätte und einfach nicht „nur die Oma“ sein wollte. Und ich konnte mich nicht wehren, weil ich zu verletzlich war, zu kraftlos und es ja leider auch keine Bedienungsanleitung fürs Mama werden gibt. Also an alle werdenden Mamas da draußen: lasst euch die Rolle, die euch zusteht nicht weg nehmen. Nicht von der eigenen Mutter und auch nicht von der Schwiegermutter. Unterstützung ja (die ist natürlich schön und darf man annehmen) – Übergriffigkeiten nein.

    • Liebe Bettina,
      ich danke dir für die Wertschätzung und deinen klugen Kommentar.
      Schön, dass du im Nachgang Mitgefühl und Verständnis für dich selbst entwickeln kannst. Das ist Gold wert. ♥
      Alles Gute dir und deiner Familie
      Anne

  • Danke für diesen Text. Ich werde in ein paar Tagen Oma und sehe meine Aufgabe jetzt mit anderen Augen. Danke auch an Bettina für deine Worte. Ich hätte wahrscheinlich genau die Mutter Rolle statt der Oma Rolle unbewusst angenommen. „ Mann will ja das Beste“.
    Mal sehen wie ich es hinbekomme. Lg

    • Liebe Jutta,
      vielen Dank für den Kommentar. Inzwischen ist der kleine Schatz sicher geboren. Glückwunsch an die ganze Familie und eine wunderschöne erste Zeit!
      Ganz liebe Grüße
      Anne

      • Vielen Dank ,liebe Anne.
        Jaaa, Lene Charlotte kam angeflogen und ist natürlich schönste Baby ever❤️
        Es war wirklich hilfreich diesen Post zu lesen , denn ansonsten wäre ich wirklich wieder in die Mutterrolle geschlüpft. Ich halte mir eure Gedanken immer vor Augen und hoffe lange durchzuhalten:-))
        Danke nochmal. Lg

  • Hallo Anne,
    durch Zufall (wie so oft im Leben) bin ich auf diesen wunderbaren Text gestoßen. Ich habe ihn gelesen und mir liefen die Tränen, so gerührt war ich vom Inhalt und gleichzeitig erschrocken, was man alles falsch machen kann. Da ich im August zum ersten Mal Oma werde, muss ich mir dies alles zu Herzen nehmen. Denn genau das was beschrieben wird, will ich für meine wunderbare Tochter sein, nämlich verständnisvoll und hilfsbereit. Ich freue mich unendlich auf mein Enkelkind. Ich möchte alles richtig machen und danke dir für diesen Beitrag. LG

    • Liebe Esther,
      danke, dass du deine Gedanken hier teilst. Und wie schön, dass du dich bemühst, deiner Tochter und deinem Enkelkind eine Stütze zu sein. ♥ Ich glaube nur, wir können niemals alles richtig machen und müssen es auch gar nicht – ein weiches Herz und eine liebevolle Haltung, was braucht es denn mehr? Und davon hast du sicher reichlich. 🙂
      Alles Liebe für euch!
      Anne

  • Warum gehen eigentlich heutzutage die jungen Mamas davon aus, dass die Oma kaum etwas nachempfinden kann und sich nicht angemessen verhält bzw. Verhalten kann? Ich habe 2 Kinder groß gezogen und weiß vielleicht sogar besser als jede junge Mama, wie sich das anfühlt und was zu erwarten ist. Und ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass meine Mutter, die mich nach bestem Wissen und Gewissen unterstützt hat, das nicht wüsste.
    Wir werden aber Gott sei Dank alle älter….

  • Hallo Anne,
    auch ich habe durch Zufall deinen Text gefunden. Vielen Dank dafür. Unsere Tochter bekommt Anfang 2023 Zwillinge. Ich möchte sie selbstverständlich unterstützen so gut ich kann. Durch deinen Text hoffe ich, ihr so besser helfen zu können ohne zu große Fehler zu machen. Wir freuen uns sehr auf die beiden Mädels und wollen unseren Kindern ( den werdenden Eltern) nach Kräften helfen ohne aufdringlich zu sein. Vielen Dank für deine Anregungen. Liebe Grüße Silvia

  • Ich bin auch seit ein paar Monaten Oma und Enkelkind Nummer 2 folgt im Sommer.
    Unsere jetzt gerade Eltern werdenden Kinder sind nicht zur Welt gekommen , als die Menschheit noch in Höhlen lebte (meine Tochter hat mir sogar erklärt, dass man heute Rückbildung macht nach einer Geburt) . Auch wir haben uns mit den Dingen auseinandergesetzt, hatten bestimmte Vorstellungen und die waren nicht immer mit denen unserer Mütter identisch und nicht wirklich weit von den heutigen Ideen entfernt.
    Ich habe an diesen Punkten dann immer nett und freundlich Danke aber NEIN Danke gesagt.
    Meinen Enkel durfte ich das erste mal sehen, als er 2 Wochen alt war.
    Alle Antworten, die ich auf die mir gestellten Fragen gebe sind sowieso falsch.
    Ich darf nicht unterstützen, ich darf nicht Oma sein, nur weil mir das Motiv unterstellt wird, ich wolle das Kind zu meinem machen.
    Ich habe 5 Kinder groß gezogen. Ich freue mich mein Bett, meinen Teller und meine Freizeit wieder für mich zu haben.
    Ich möchte kein neues Baby, ich möchte Oma sein, mein Kind unterstützen und meinen Enkel mit Zeit und Liebe begleiten.
    Meine Töchter erzählen oft von tollen Zeiten mit ihrer Oma und unterbinden jetzt, dass diese süßen kleinen Wesen ein Verhältnis zu mir aufbauen, um das ebenfalls in ein paar Jahren mit mir genießen zu können.
    „Ein Kind ist kein Gemeinschaftsprojekt“ gegen „Zum Aufziehen eines Kindes braucht man ein Dorf“.
    Warum ist es so schwierig eine gemeinsame Lösung zu finden?
    Leidtragende werden die neuen Erdenbürger sein. Familienbande sind manchmal einengend, aber in der Not oft die einzigen Stricke die nicht reißen.
    Ihr jungen Mütter, wir wollen euch eure Babys nicht wegnehmen, manchmal sind wir sicher etwas voreilig, aber wir wissen genau was ihr bis jetzt schon geleistet habt und was noch auf euch zukommt.

  • Ich bin seit 2 Wochen Oma. Gut, dass ich deinen Text gelesen habe, sonst hätte ich bestimmt auch schon einige Ratschläge gegeben. Also heiße ich mir lieber auf die Zunge. Ich werde meine Tochter unterstützen, so gut ich kann, werde mich aber dann auch nicht ausnutzen lassen. Denn wenn man sich schon zurück halten soll, kann auch nicht erwartet werden, dass Oma immer zur Verfügung steht. Natürlich gibt es wirklich Mütter, die ihren Töchtern die eigenen Erziehungsmethoden an den Enkeln wiederholen wollen. Die sollten sich wirklich zurück halten. Aber viele Omas wollen nur unterstützen und sich an den Enkeln erfreuen dürfen. Leider werden Großeltern sehr schnell in den Hintergrund geschoben. Aber gut, dann ist es halt so, dann halten wir uns zurück und sagen nichts und hoffen unsere Enkel manchmal in den Arm nehmen zu dürfen und nicht nur Haushälterin zu sein.

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Ich bin Anne, leidenschaftliche Schreiberin und immerfort lernende Mutter zweier Kinder. Süchtig nach anspruchsvollen Büchern und mit einer Schwäche für ausgezeichneten Schwarztee. Auf meinem Blog WELTFREMD setze ich mich seit 2019 für friedvoll-authentische Elternschaft ein und kläre über Entwicklungstrauma auf. ♥

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